Du interessierst dich für die Metrik in Dichtungen? Hier wird dir der "daktylischer Hexameter" vorgestellt - ein sechsfüßiger Vers.
Daktylischer Hexameter
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Metrum / Versmaß Ein typisches Merkmal von Dichtung ist die Einhaltung eines bestimmten Metrums (Versmaß), das festlegt, wie viele betonte Silben im Vers zu finden sind und an welcher Stelle. In lateinischer Dichtung regelt das Metrum dazu die Abfolge von langen und kurzen Silben (quantifizierende Metrik). Ein besonders häufiges lateinisches Versmaß ist der daktylische Hexameter. Grundlegendes Metrum ist der Daktylus, der aus einer langen betonten Silbe besteht, auf die zwei kurze Silben folgen. Ein Hexameter (hexa- = sechs) besteht aus sechs Versfüßen, d.h. ein daktylischer Hexameter aus 6 Daktylen. Der letzte Versfuß ist dabei katalektisch (um eine Silbe verkürzt) und die letzte Silbe kann außerdem lang oder kurz sein: syllaba anceps (doppelgesichtige Silbe). Ein rein daktylischer Hexameter sieht schematisch wie folgt aus:
Die senkrechten Striche dienen dazu, die einzelnen Versfüße zu kennzeichnen. Ein Gedicht aus lauter rein daktylischen Hexametern würde bald Monotonie erzeugen. Darum gibt es Variationsmöglichkeiten des Grundschemas: In den ersten vier Versfüßen kann statt des Daktylus ein Spondeus stehen:
Skandieren Beim Skandieren eines daktylischen Hexameters musst du die Vokalquantitäten (Längen und Kürzen) bestimmen und – wie im Schema - mithilfe von Makronˉ bzw. Kürze-Kringel ˘ kennzeichnen. Außerdem musst du die Versfüße durch | voneinander abgrenzen. Schließlich markierst du die betonten Längen mit einem Akzent (ḗ). Beispiele: verum haec tantum alias inter caput extulit urbes (Vergil, Ekl.1, 24) ⁄ ⁄ ⁄ ⁄ ⁄ ⁄ skandiert: vēr(um)(h)aec | tānt(um)ălĭ | ās īn | tēr căpŭt | ēxtŭlĭt | ūrbēs cum ventum ad verum est: sensus moresque repugnant (Horaz, Sat I 3, 97) ⁄ ⁄ ⁄ ⁄ ⁄ ⁄ skandiert: cūm vēn | t(um)ād vēr | ūm(e)st sēn | sūs mō | rēsquĕ rĕ | pūgnānt Wie erkennst du Längen und warum musst bestimmte Buchstaben tilgen? Vorgehen beim Skandieren Beim Skandieren eines Vers bestimmt du die Quantität der einzelnen Silben, d.h. du stellst fest, ob eine Silbe lang oder kurz ist. Ziel des Skandierens ist es, das Metrum (Versmaß) zu erkennnen, die Grenzen der einzelnen Versfüße festzulegen und Zäsuren aufzuspüren. Es handelt sich also um eine formale Analyse, die dir später bei der inhaltlichen Interpretation helfen kann. Die grundlegende Frage ist also: Woran erkennst du lange bzw. kurze Silben ? Denn die verschiedenen Metren basieren auf einer bestimmten Abfolge von Längen und Kürzen. Welche Silben sind lang ? Im lateinischen unterscheiden wir Naturlängen und Positionslängen. Naturlängen Von Natur aus (nātūrā) lange Silben enthalten einen langen Vokal. Lange Vokale sind im Wörterbuch immer durch ein Makron* (Querstrich über den Vokal) gekennzeichnet. Beispiele: dūcere, nātūra, nōn… Auch Vokale in grammatischen Endungen können naturlang sein. Beispiele: dūcō, nātūrā, omnēs… Schließlich gelten auch Silben mit Diphthong (au, ae, oe, eu) als naturlang. Naturlängen werden auch lang gesprochen! *Gegenstück zum Makron ist ein kleiner nach oben offener Halbkreis (ă, ĕ, ĭ, ŏ, ŭ) – dieser wird nur gesetzt um ausdrücklich auf Kürzen hinzuweisen! Positionslängen Ein Vokal gilt als durch Stellung (positiōne) lang, wenn auf ihn zwei oder mehr Konsonanten folgen. Dies gilt im lateinischen Vers auch über die Wortgrenze hinweg! Kurze Vokale werden immer kurz gesprochen – auch in Positions-länge! Beispiele für reine Positionslängen: ōmnis, pārs, gēssit. Manchmal fallen Natur- und Positionslänge zusammen: nūllus, āctus, nōlle. Beim Skandieren eines Verses ist es immer am leichtesten, zuerst nach Positionslängen zu suchen. Ist dir das zugrundeliegende Versmaß bekannt, kannst du oft auch zusätzliche Längen und Kürzen bestimmen, wenn hierdurch festgelegt ist, dass die so-und-so-vielte Silbe eines Verses immer lang bzw. kurz sein muss. Z.B. sind in einem daktylischen Hexameter die erste und vorletzte Silbe eines Verses immer lang. Die Verbindung „Muta cum Liquida“ Bestimmte Konsonantenverbindungen aus einer Muta (d, t, b, p, g, c) gefolgt von einer Liquida (l, r) können zwar Positionslängen bilden, müssen aber es aber nicht. Dies gilt auch für die Verbindungen fl- und fr-. Beispiel: patrem kann als pātrĕm, aber auch als pătrĕm gemessen werden. Achtung bei h, qu, x, z, i und u…
Achte besonders auf die Komposita von iacĕre: Sie schreiben sich mit einfachem –i-, klingen aber wie –[ji]-: eicere [= ējĭkĕrĕ]. i als [ji] bewirkt nach d Positionslänge des a- in adicere [= ādjĭkĕrĕ].
Elision & Synaloiphe– Vorsicht: Verschwindende Vokale! Stoßen zwei Vokale an einer Wortgrenze aufeinander, wird der Vokal am Ende des ersten Wortes elidiert («aus-gestoßen»)! Beispiele für Elisionen: ūsqueadeō = ūsqu(e)adeō [ūsquădĕō]; mē ēxīre = m(ē)ēxīre [mēxīrĕ]. Auch Vokal+m am Ende eines Wortes wird von folgendem Vokal elidiert! Beispiel: iām prīdem ā mē īllōs = jāmprīd(em)ām(ē)īllōs [jāmprīdāmīllōs] Zur Synaloiphe – auch elisio inversa (umgekehrte Elision) genannt – kommt es, wenn auf ein vokalisch (bzw. auf Vokal+m) auslautendes Wort ēs oder est von esse folgt. In diesen beiden Fällen wird nicht der Vokal (bzw. Vokal+m) am Wortende des vorausgehenden Wortes elidiert, sondern das e- von ēs bzw. est! Zäsuren Eine Zäsur (caesura = Einschnitt) liegt vor, wenn ein Wort innerhalb eines Versfußes endet, wodurch der Fuß gleichsam in zwei Teile zerschnitten wird. Gleichzeitig ist eine Zäsur eine semantische (die Bedeutung betreffende) und/oder syntaktische Unterteilung des Verses. Eine besondere Form der Zäsur ist die Dihärese. Eine Dihärese ist eine uneigentliche Zäsur: Sie fällt mit dem Ende eines Versfußes zusammen. Wir kennzeichnen echte Zäsuren im Vers mit einem senkrechten Strich, eine Dihärese dagegen mit einem Doppelstrich, der dazu dient gleichzeitig Zäsur und Ende des Versfußes zu markieren. Im daktylischen Hexameter gibt es bestimmte Stellen, an denen typischerweise eine Zäsur erfolgen kann. Diese Zäsuren tragen bestimmte Namen, die du beim Skandieren durch Buchstaben signalisierst. Das Grundschema des daktylischen Hexameters mit möglichen Zäsuren sieht wie folgt aus: T P ktt H bD
Benennung der Zäsuren Die Zäsuren tragen griechische Namen. Du kannst sie dir aber mit folgenden Hinweisen recht leicht einprägen:
Der erste Bestandteil (Trit- = 3, Pent- = 5 bzw. Hepht- = 7) zeigt, nach der wievielten möglichen Länge die Zäsur erfolgt – als mögliche Länge gilt auch die Doppelkürze eines Daktylus. Der zweite Bestandteil –hemi- bedeutet „halb“ : Die Zäsur teilt den Versfuß in zwei gleiche Hälften.
„kata triton trochaion“ bedeutet wörtlich „nach dem dritten Trochäus“: Die Zäsur steht nach dem dritten (möglichen) Trochäus, d.h. sie teilt einen Daktylus im dritten Versfuß in zwei ungleiche Hälften: |
Die Bezeichnung dieser Dihärese als bukolisch geht auf die Gattung der Hirtendichtung (bu-kolos= Rinder-Hirte) zurück. Merke: ktt und bD sind im Lateinischen selten. Beispiel: cum ventum ad verum est: sensus moresque repugnant (Horaz, Sat.I 3, 97) Übersetzung: wenn es zur Wahrheit kommt: Gefühl und Gesittung widersetzen sich T P H ⁄ ⁄ ⁄ ⁄ ⁄ ⁄ skandiert: cūm vēn | t(um)ād vēr | ūm(e)st sēn | sūs mō | rēsquĕ rĕ | pūgnānt Hier ist nur die Penthemimeres als Zäsur sinnvoll: T und H würden nämlich zusammengehörende Wortgruppen (ad verum /sensus moresque) trennen. |
Schwierigkeitsgrad 1
Arbeitsblatt-Nr. 11366
Schwierigkeitsgrad 1
Arbeitsblatt-Nr. 3272
Schwierigkeitsgrad 2
Arbeitsblatt-Nr. 11367
Schwierigkeitsgrad 2
Arbeitsblatt-Nr. 3273