Deutsch - Expressionismus (Literatur)

Wenn du wissen willst, was es alles mit dem Expressionismus in der Literatur auf sich hat, dann bist du hier genau richtig. Steig direkt ins Thema ein!

Expressionismus (Literatur)

Die Epoche des Expressionismus fällt in die Jahre 1905 bis 1925. Das Leben zu Beginn des 20. Jahrhunderts war von dem raschen Wandel des vorherigen Jahrhunderts geprägt, die sich nun deutlich im Leben der Menschen verankerten: die Urbanisierung, Industrialisierung und der Erste Weltkrieg. Damit fällt die Strömung in die Zeit der Moderne, die sich von 1890 bis 1920 ereignete. Hauptvertreter war die junge Generation, die sich gegen die altmodischen Regeln des Kaiserreichs auflehnte und den gesellschaftlichen Veränderungen wie dem Leben in immer schneller wachsenden Städten Ausdruck verlieh – und das nicht nur inhaltlich, sondern auch mit sprachlichen Mitteln. Der Begriff Expressionismus geht auf das lateinische Verb „exprimere“ zurück, das übersetzt „ausdrücken“ bedeutet. Den Künstler*innen ging es also darum, etwas „auszudrücken“, und zwar ihre Kritik an den gesellschaftlichen Veränderungen mit dem Fokus auf der Subjektivität. 

icon
Gut zu wissen

Der Expressionismus entstand ebenfalls in Abgrenzung zum Impressionismus (1870 bis 1910), der sich fernab vom Tagesgeschehen auf den Moment konzentrierte und versuchte, das Flüchtige einzufangen. Die Expressionist*innen kritisierten die fehlende Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Veränderungen und sahen es als Aufgabe der Kunst, die Menschen aufzuklären und wachzurütteln.  

Historischer Hintergrund

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Auswirkungen der Industrialisierung, die sich etwa ab 1830 in Deutschland ausbreitete, deutlich zu spüren. Städte waren entstanden, gewachsen, die durch die rasant steigende Zahl an Einwohner*innen stetig lauter, schmutziger und unübersichtlicher wurden. Neue Technologien wie das Telefon hielten Einzug in Alltag und Haushalt, und der Zugang zu fließendem Wasser und elektrischem Licht wurde einfacher. Maschinen ersetzten Arbeitsweisen und ein Eisenbahnnetz ermöglichte ein schnelleres Fortkommen. Die Schallplatte, Film, und Fotografie entstanden und boten neue Unterhaltungsmöglichkeiten. 

Einerseits begrüßten die Menschen den Fortschritt, andererseits warf dieser seine Schatten. Die Gesellschaft spaltete sich in Stadt und Land sowie in Arm und Reich. Die Menschen auf dem Land lebten von Landwirtschaft, die in der Stadt arbeiteten für Niedriglöhne in Fabriken. Demgegenüber standen die erfolgreichen Unternehmer. Die wachsende Unzufriedenheit über die schlechten Arbeitsbedingungen brachte die Gründung von Gewerkschaften und sozialen Parteien hervor. Auch die Frauenrechtsbewegung war in dieser Zeit aktiv und setzte das Wahlrecht für Frauen durch, das 1918 in Kraft trat.   

Das prägendste Ereignis der Zeit aber war der Erste Weltkrieg, der sich von 1914 bis 1918 ereignete. Zunächst blickten die Menschen dem Krieg mit Begeisterung entgegen. Sie gingen von einem schnellen Sieg aus und erhofften sich die Vormachtstellung in Europa, die wirtschaftlichen Aufschwung mit sich bringen würde. Bald aber wendete sich das Blatt, denn die Kämpfe waren langwierig und grausam und in Deutschland herrschten Lebensmittelknappheit und Hunger. Auch verursachten die modernen Waffen höhere Opferzahlen als erwartet. Zahlreiche Soldaten kehrten nicht von der Front zurück, und die, die überlebten, waren höchst traumatisiert. Die anfängliche Euphorie wich Sorge und Verzweiflung. Und mehr und mehr zweifelten die Menschen an der Obrigkeit. 

icon
10 Stunden gratis: Testen Sie die Nachhilfe Nr. 1 zum Schulstart!*
img-746ddab8-ecac-4075-956c-2d8473424b9d.jpg

Beste Noten im neuen Schuljahr!

  • Flexibler Einsatz der 10 gratis Nachhilfestunden, z. B. vor Klassenarbeiten  
  • Größte Flexibilität: Profi-Nachhilfe online oder vor Ort 
  • Fachwechsel möglich  
  • 92 % Notenverbesserung  

Die Phasen des Expressionismus

Durch den Gemütswandel der Bevölkerung lässt sich der Expressionismus in zwei Phasen einteilen, die vom Krieg unterbrochen werden. Von 1905 bis zum Kriegsbeginn fand der Frühexpressionismus statt, dessen wesentliche Themen die Großstadt und die gesellschaftlichen Veränderungen durch den technischen Fortschritt waren. Ab 1914 bis 1925 wurde er vom Spätexpressionismus abgelöst, der den Krieg und die verheerenden Auswirkungen zum Ausdruck brachte. Herrschte anfangs noch Kriegsbegeisterung vor, sprachen sich die Künstler*innen gegen Ende vermehrt für Friede und Pazifismus aus. Beide Phasen sind eine Reaktion auf die Veränderungen der Gesellschaft und der Lebensweise.


Der Frühexpressionismus

Hauptvertreter waren junge Gebildete, die dem Bürgertum angehörten und in den Städten lebten. In der Kunst fanden sie einen Weg, mit den gesellschaftlichen Umbrüchen ihrer Zeit und den Veränderungen ihrer Lebensweise Ausdruck zu verleihen. Während manche den Fortschritt feierten, waren andere überfordert. Das Leben in den Städten war laut, hektisch und chaotisch und stellte eine Reizüberflutung dar, der sie sich ausgeliefert sahen. Gleichzeitig fühlten sich viele einsam und isoliert. 

Wie so oft war die Kunst auch eine Rebellion der jungen Generation gegen die vorherige. Die Expressionist*innen sahen die Lebensweise des Bürgertums als einengend und überholt an. Sie empfanden die altmodischen Werte des Kaiserreichs als nicht mehr zeitgemäß, insbesondere im Hinblick auf die rasanten Veränderungen. Ihren Unmut brachten sie künstlerisch zum Ausdruck, indem sie mit den bislang geltenden Regeln der Kunst brachen und vor allem die realistische Darstellung des Naturalismus ablehnten. Sie suchten neue Ausdrucksformen – die ebenso neu waren wie die Veränderungen, die es zu verarbeiten galt. Sie verfremdeten, wechselten Perspektiven und warfen Normen über Bord, die sie als verlogen und spießig erachteten. Das Alte sollte dem Neuen weichen und die Türen öffnen für eine neue Zeit.

Darum wirkte der Krieg zunächst wie eine Antwort, wie ein Umbruch, der die ersehnten Veränderungen mit sich bringen würde. Nicht wenige junge Menschen meldeten sich freiwillig. Doch auf die anfängliche Begeisterung folgte bald Ernüchterung. 


Der Spätexpressionismus

Während das Denken und Schreiben der Expressionist*innen zu Beginn des Jahrhunderts vom Thema Großstadt geprägt war, rückte der Erste Weltkrieg ein anderes in den Vordergrund. Der Krieg veränderte das Leben und die Haltung der Menschen so nachhaltig, dass sich das auch auf das künstlerische Schaffen in der Zeit auswirkte. Darum lassen sich die Kunst und Literatur des Expressionismus nicht unter einem Begriff zusammenfassen. Vielmehr bedarf es beider Phasen, in der die dramatischen Veränderungen des Kriegs mitschwingen. Viele Expressionist*innen überlebten den Krieg nicht, und die, die es taten, kehrten traumatisiert zurück. In ihrem Schreiben verarbeiteten sie dann ihre Erfahrungen und plädierten für Frieden. Manche wandten sich gar vom Expressionismus ab und anderen Stilrichtungen zu. Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus in den 1930er Jahren fand die Epoche ihr endgültiges Ende.

Motive des Expressionismus

Die Motive der expressionistischen Kunst waren wie gesagt von den gesellschaftlichen Veränderungen und dem Krieg geprägt. Nachfolgend findest du eine Auflistung der häufigsten Themen, mit denen die junge Generation der Zeit haderte:

  • das Leben in der rasant wachsenden Großstadt: Lärm, Schmutz, Chaos, aber auch Anonymität, Einsamkeit und Isolation, 
  • Angst vor dem Verlust des eigenen Selbst und der Subjektivität,
  • inneren Vorgängen, dem eigenen Denken und Fühlen wird Ausdruck verliehen,
  • Rebellion gegen die alten Werte des Kaiserreichs und der Elterngeneration durch den Bruch mit den bisherigen Regeln, auch die der Rechtschreibregeln,
  • Auseinandersetzung mit dem technischen Fortschritt und neuen Medien,
  • der Krieg als anfängliche Hoffnung auf einen Neuanfang und schließlich die Verarbeitung von Trauma und Tod.

Die Expressionist*innen waren junge Menschen, die die Veränderungen ihrer Zeit künstlerisch verarbeiteten. Durch die schnellen Veränderungen suchten sie nach einem Weg, ihren inneren Vorgängen und subjektiven Wahrnehmungen Raum zu geben und Ausdruck zu verleihen. Das ging nur mit einer deutlichen Abkehr von allem bislang Bestehenden. 

icon
Merke

Insbesondere vom Naturalismus wollten sich die jungen Künstler*innen abgrenzen, der mit seiner realistischen und nüchternen Darstellungsweise des Äußeren nicht mehr ausreichte. Die Angst vor dem Verlust der eigenen Subjektivität legte den Fokus auf die inneren Vorgänge. 

Die Literatur des Expressionismus

Expressionismus ist dir vielleicht aus dem Bereich Kunst ein Begriff, denn die Strömung durchzieht sämtliches künstlerisches Schaffen, nicht nur das Schreiben. In der Kunst lässt sich der Bruch mit den Regeln auf einen Blick erkennen. Die Künstler*innen experimentierten mit Farben und Formen, schufen Abstraktes und völlig Losgelöstes von allem, was die Kunst bis dahin kannte. Ebenso verhielt es sich in der Literatur, und zwar durch alle Gattungen hinweg.


Die expressionistische Lyrik

Von allen drei Gattungen der Literatur erschien den Schreibenden die Lyrik am besten geeignet, um die subjektiven Wahrnehmungen frei ausdrücken zu können. Der Regelbruch ist hier am deutlichsten, denn in der Zeit davor wurde noch sehr auf klassische Formen gesetzt. Die Lyriker*innen des Expressionismus verzichteten bewusst auf feste Gedichtformen und ließen Metren, Reime und Strophenformen völlig außer Acht. Stattdessen setzten sie auf neue sprachliche Mittel und kreierten zahlreiche Metaphern.

Zu den Vorreiterinnen gehört die deutsch-jüdische Autorin Else Lasker-Schüler. Sie schrieb überwiegend Gedichte, aber auch Dramen und Prosawerke. Zu ihren bekanntesten Gedichten gehören „Weltflucht“ und „Mein blaues Klavier“. Schauen wir uns das erste einmal genauer an:


Weltflucht

Ich will in das Grenzenlose
Zu mir zurück,
Schon blüht die Herbstzeitlose
Meiner Seele,
Vielleicht – ist’s schon zu spät zurück!
O, ich sterbe unter Euch!
Da Ihr mich erstickt mit Euch.
Fäden möchte ich um mich ziehn –
Wirrwarr endend!
Beirrend,
Euch verwirrend,
Um zu entfliehn
Meinwärts!

  

Das Gedicht entstand 1902, kurz vor dem eigentlichen Beginn des Expressionismus. Else Lasker-Schüler war somit eine der Ersten, die ihr Schaffen vom Äußeren auf das Innere lenkte. In ihrem Gedicht „Weltflucht“ lässt sie ihr lyrisches Ich – wie der Titel schon sagt – der Welt entfliehen in das „Grenzenlose“, das Innere, „Zu mir zurück“. Die raschen Veränderungen haben den Blick des Menschen von ihm selbst weggelenkt. Nun ist es an der Zeit, zurückzukehren. „Da ihr mich erstickt mit Euch“ versinnbildlicht die steigende Zahl der Stadtbewohner, unter denen Individualität verloren geht. Mit „Wirrwarr endend!“ kann das Chaos gemeint sein, in dem sich die Menschen nun befinden und dem ein Ende gesetzt werden muss. 

1919 erschien die Lyrikanthologie „Menschheitsdämmerung“, zu der sich einige expressionistische Dichter*innen zusammengetan hatten. Darin finden sich Gedichte von Else Lasker-Schüler, Gottfried Bett, Georg Heym, Georg Trakl und Franz Werfel. Einige waren zum Zeitpunkt des Erscheinens bereits verstorben oder im Exil. Die Sammlung spiegelt den Zeitgeist wie kaum ein anderes Werk wider. Tonangebend ist das Eingangsgedicht „Weltende“ von Jakob van Hoddis. Der Band wirkte noch lange über den Expressionismus hinaus und ist bis heute eine der erfolgreichsten Lyrikanthologien Deutschlands. 

icon
Gut zu wissen

Viele Vertreter*innen des Expressionismus sprachen sich gegen den Nationalsozialismus aus, der in der Zeit immer stärker wurde. Darum galt ihre Kunst eine lange Zeit als „entartet“ und nicht wenige Bücher der Zeit wurden verboten und verbrannt. Darum gingen viele Künstler*innen in der nachfolgenden Zeit ins Exil, das heißt, sie ergriffen aufgrund von Missständen oder Verbannung die Flucht und verweilten eine lange Zeit im Ausland. 

Das Drama des Expressionismus

Während vor dem Krieg eher das Gedicht Hauptgattung der Kunstschaffenden war, gewann das Drama nach dem Krieg wieder an Bedeutung. Doch auch vor dem Krieg entstanden Dramen, wie beispielsweise Else Lasker-Schülers „Die Wupper“ aus dem Jahr 1909 und „Geschehen“ (1914) von August Stramm. Letzteres gehört zu den ungewöhnlichsten Dramen überhaupt, denn seine Länge erinnert mehr an ein Gedicht: 


Kinder

stieben heulen Mich lehrt. Mich o Mich!
Pfaffe jagt wütend Mich o Mich!
Er außer sich die Hände in den Lüften Mich! o Mich! Mich! o Mich?
Knabe springt trotzig vor Ihn mein Vater ist ein König!
Knabe trotzig mein Vater ist ein Herr!
Knabe trotzig mein Vater macht die Erde blühen
(...)


August Stramm gilt als Wortakrobat, der sprachlich viel experimentierte. In seinem Drama setzte er auf eine knappe Wortwahl, Wortverkürzungen und fragmentartige Sprache, um die Zerrissenheit der Menschen widerzuspiegeln. Nichts ist von den klassischen Formen eines Dramas erhalten. Die Zuschauenden erfahren nichts vom Hintergrund der Szene, der Fokus liegt – typisch für den Expressionismuseinzig auf dem Empfinden der Figuren.  Weitere bekannte Dramen der Epoche sind „Die Wandlung (1919) von Ernst Toller, „Die Sündflut“ von Ernst Barlach, das nach 1918 entstand, und „Gas“ (1918) von Georg Kaiser. 


Die Epik des Expressionismus

Auch wenn die Epik nicht die beliebteste Gattung der Expressionist*innen war, sind in der Zeit dennoch eindrucksvolle Prosawerke entstanden. Diese zeichnen sich durch eine ausdrucksstarke Sprache und zahlreiche sprachliche Bilder aus. Der typisch expressionistische Bruch mit bislang geltenden Regeln wird bereits durch die bewusste Missachtung von Grammatikregeln aus, was manchmal zur Folge hat, dass Passagen dicht und gedrungen wirken. Im Mittelpunkt steht stets das erlebende Subjekt, dem teils Absurdes widerfährt. 

Typische Werke des Expressionismus sind Alfred Döblins „Ermordung einer Butterblume“ sowie „Berlin Alexanderplatz“, obwohl Letzteres erst 1929 erschien, als sich die meisten Expressionist*innen bereits anderen Stilrichtungen zugewandt hatten. Warum es dennoch der Epoche zugeordnet wird, liegt an der Großstadtthematik, bei der besonders Randgruppen in den Blick genommen werden, sowie Döblins innovativen Erzähltechniken wie der Montagetechnik. Seine Sprache ist expressiv und experimentell und das Werk angereichert durch Reklame, Lieder und Radiodurchsagen, mit denen Döblin der industriellen Reizüberflutung Ausdruck verleiht. Weitere typische Werke sind „Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen“ von Heinrich Mann aus dem Jahr 1905 und „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“ (1906) von Robert Musil.

icon
Gut zu wissen

Die Forschung ist sich uneinig, ob Kafkas „Die Verwandlung“ dem Expressionismus zuzuordnen ist oder nicht. Dafür sprechen die absurde Handlung und der Fokus auf dem erlebenden Subjekt. Zudem spiegelt die Ausweglosigkeit von Gregors Situation den Zeitgeist zu Beginn des 20. Jahrhunderts wider, ebenso wie das Scheitern der Kommunikation und die Thematisierung von Einsamkeit und Isolation der Hauptfigur.

Expressionismus (Literatur) – das Wichtigste in Kürze

  • Die Epoche des Expressionismus fand von 1905 bis 1925 statt und ist geprägt durch die Industrialisierung und den Ersten Weltkrieg.
  • Die Epoche erfährt durch den Krieg einen Bruch und teilt sich in den Frühexpressionismus (1905 bis 1914) und den Spätexpressionismus (1914 bis 1925).  
  • Die Vertreter des Expressionismus waren junge Gebildete, die sich gegen die altmodischen Werte des Kaiserreichs auflehnten, die sie als nicht mehr zeitgemäß empfanden. 
  • Ihre Hauptthemen waren die Großstadt, der Krieg, Isolation und die Angst vor dem Selbstverlust. 
  • Im Gegensatz zu den vorherigen Werken setzten sie auf neue Sprachformen und Subjektivität. 
  • Hauptvertreter waren Else Lasker-Schüler, Georg Heym, Gottfried Benn, Ernst Toller und Alfred Döblin.


Teste dein Wissen

Was bedeutet das lateinische Verb „exprimere“, auf das der Begriff Expressionmus zurückgeht?

Teste unser LernCenter einen Monat lang komplett gratis