Deutsch – Naturalismus

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Naturalismus: Was Du über diese Literaturepoche wissen musst

„Kunst = Natur - x“ – Auf diese Formel brachte der naturalistische Schriftsteller Arno Holz das, was den Naturalismus als Literaturepoche ausmacht. Was auf den ersten Blick etwas verwirrend daherkommt, ist eigentlich ganz einfach: Die Vertreter des Naturalismus hatten das Ziel, die Wirklichkeit (Natur) möglichst genau darzustellen, also ohne subjektive Einflüsse (x). Was genau das bedeutet und welche Epochenmerkmale des Naturalismus Du kennen solltest, erläutern wir in diesem Artikel. Lass’ Dich nicht von der Formel zum Einstieg abschrecken – es wird weder kompliziert noch langweilig!

Naturalismus: Definition und zeitliche Einordnung

Für die Interpretation des Naturalismus und seiner Werke ist ein wenig Hintergrundwissen erforderlich. Als literarische Epoche umfasst der Naturalismus den Zeitraum vom Jahr 1880 bis 1900. Er folgt auf den Realismus (1848 – 1890) und verläuft ein Stück weit parallel mit diesem.

Der Begriff Naturalismus hat seinen Ursprung im Lateinischen: natura bedeutet „Natur“. Ziel der Naturalisten, also der Künstler*innen des Naturalismus, war die möglichst realistische und genaue Darstellung der Wirklichkeit – inklusive der gesellschaftlichen Missstände der damaligen Zeit. Damit unterscheiden sie sich von den Vertretern des Realismus, die die Realität verschönern, indem sie Negatives schlicht ausblenden.

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Gut zu wissen

Die Naturalisten stellten das Leben des 19. Jahrhunderts wirklichkeitsgetreu dar. Sie nutzten dieses präzise Abbild der Gesellschaft, um Kritik an den schlechten Lebensumständen der einfachen Bevölkerung zu äußern.

Merkmale des Naturalismus im Überblick

Bevor wir uns den Naturalismus genauer anschauen, werfen wir einen schnellen Blick auf die wesentlichen Eckdaten.

  • Zeitraum: 1880 – 1900
  • Einordnung: folgt auf Realismus
  • Historischer Kontext: wissenschaftlicher & technologischer Fortschritt (Entwicklung der Dampfmaschine), Industrialisierung, soziale Frage, Elendsviertel in großen Städten
  • Wesentliche Themen: Kunst als Wissenschaft, Blick auf das Hässliche, unverfälschte Darstellung der Wirklichkeit
  • Literatur-Gattungen : vorrangig Dramen in alltäglicher Sprache
  • Bekannte Autoren: Gerhart Hauptmann, Arno Holz, Henrik Ibsen, Johannes Schlaf, Emile Zola

Naturalismus: Hintergrund und historische Einordnung

Die Epoche des Naturalismus ist geprägt von technologischem Fortschritt auf der einen und großer Armut in weiten Teilen der Bevölkerung auf der anderen Seite. Die fortschreitende Industrialisierung hat das Leben der Menschen stark beeinflusst: Auf dem Land wurden die Arbeitsplätze knapp, in den Städten entstanden immer mehr Fabriken. 

Dennoch fanden nicht alle Menschen, die in Massen vom Land in die Stadt zogen einen Arbeitsplatz. Die Folgen dieser Entwicklung waren Arbeitslosigkeit, Armut und mangelnder Wohnraum. Wer einen Arbeitsplatz in einer der Fabriken finden konnte, hatte mit harten Arbeitsbedingungen und geringer Bezahlung zu kämpfen. Vor allem die unteren Bevölkerungsschichten waren mit Krankheit, Alkoholismus, Obdachlosigkeit sowie Kriminalität und Prostitution konfrontiert.

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Merke

Die gesellschaftlichen Missstände, unter denen der ärmere Teil der Bevölkerung zu leiden hatte, sind auch als soziale Frage bezeichnet. 

Merkmale der Epoche Naturalismus: Menschenbild und Weltanschauung

(Natur-)Wissenschaftliche Erkenntnisse wirkten sich nicht nur auf die Arbeitswelt aus: Auch das Menschenbild veränderte sich am Ende des 19. Jahrhunderts eklatant. Philosophen wie Hippolyte Taine hinterfragten das christliche Welt- und Menschenbild

In ihren Augen ist der Mensch ein fremdbestimmtes Wesen, das von seinen Genen und äußeren Einflüssen wie seinem sozialen Umfeld geprägt wird. Damit unterscheidet sich der Naturalismus deutlich vom Realismus, der den Menschen als Wesen mit einem freien Willen auffasst.

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Naturalismus in der Literaturgeschichte: Themen und Motive der Epoche

Im Zuge der Industrialisierung spaltete sich die Gesellschaft: Auf der einen Seite standen die wohlhabenden Unternehmer, auf der anderen die ausgebeuteten Arbeiter. Um die sozialen Missstände in der Industriegesellschaft anzuprangern, bedient sich der Naturalismus bestimmter Merkmale und Motive.


Der ungeschönte Blick auf die Gesellschaft: Darstellung des Hässlichen

Ein wesentliches Merkmal des Naturalismus ist die präzise Schilderung der Lebenswirklichkeit der Menschen. Naturalistische Autor*innen beschreiben auch die hässlichen Aspekte des Lebens vor allem der Arbeiter absolut ungeschönt. Deswegen findest Du sehr oft Themen wie Armut und Elend, Alkoholismus und Krankheit, Prostitution und Gewalt in ihren Texten.

Als Kulisse für naturalistische Erzählungen dienen oft Umgebungen wie Fabriken, Kneipen oder dreckige Hinterhöfe. Auf diese Art bringt der Naturalismus dem*der Leser*in die Lebensrealität der Arbeiterklasse näher. Die schonungslos-direkten Schilderungen provozierten die oberen Schichten.


Objektive Realität als oberstes Ziel: Verwissenschaftlichung der Kunst und Wahrheitsbegriff

Das 19. Jahrhundert ist geprägt von einem großen wissenschaftlichen Fortschritt. Dieser spiegelt sich auch in der Kunst wider. Das gilt vor allem für die Literatur. Altbekannte Textformen und Regeln waren für die Naturalisten überholt. Ihr Anliegen war es, ihre Texte – wie in der Wissenschaft – möglichst objektiv zu formulieren. Dabei war kein Raum für Meinungen und subjektive Eindrücke. Stattdessen schrieben sie alles auf, was sie mit ihren Sinnen erfassen konnten.

Diese wissenschaftliche Herangehensweise fasste Arno Holz mit der oben genannten Formel zusammen: Kunst = Natur - x. Was zählt, ist einzig die Wirklichkeit. Alles Subjektive – x – muss davon abgezogen werden.

Die naturalistischen Autor*innen bedienten sich wissenschaftlicher Techniken, um die Wirklichkeit darzustellen, wie sie ist. Wie Forscher führten sie Experimente und Recherchen durch, um allgemeingültige Aussagen treffen zu können.


Die Bedeutung der Herkunft: Milieu und Vererbung

Wir haben bereits die Milieutheorie von Hippolyte Taine erwähnt. Dieser Theorie zufolge ist der Mensch sowohl in seiner Entwicklung als auch in seinen Entscheidungen eingeschränkt. Seine Gene sind für den Menschen ebenso maßgeblich wie das soziale Umfeld, in das er hineingeboren wird. 

Anders als etwa die Realisten sehen Naturalisten den Menschen also als fremdbestimmt an: Er hat keine Chance, dem Milieu zu entkommen, in das er hineingeboren wurde.

Den Stellenwert des Milieus erkennst Du auch daran, dass in naturalistischen Werken die Schauplätze sehr bewusst gewählt und ausgesprochen detailreich beschrieben sind: Dadurch wird die Bedeutung der Herkunft für den Menschen, seine Entwicklung und sein Handeln verdeutlicht.


Detailreiche Erzählungen: alltägliche Sprache und Sekundenstil

Schaust Du Dir naturalistische Werke genau an, wirst Du feststellen, dass die Autor*innen eine alltägliche und einfache Sprache verwenden. Sie formulieren oft umgangssprachlich und lassen ihre Charaktere in Dialekten sprechen.

Naturalismus: Literaturbeispiele für die Bedeutung der Sprache

Gerhart Hauptmann hebt in seinem sozialen Drama „Die Weber“ von 1892 die Unterschiede zwischen verschiedenen Gesellschaftsschichten hervor, indem er die Arbeiter im schlesischen Dialekt sprechen lässt:

Wenn ock wird Feierabend sein, da nimmt Mutter de Kartuffelschalen, die trägt se zum Pauer, und der gibbt er derfire a scheenes Neegl Puttermilch firsch Jungl.

Die Fabrikanten hingegen sprechen Hochdeutsch:

Mit euch Jungens wird man doch noch fertig werden. Ich bin doch schon mit ganz andren Leuten fertig geworden.

Eine weitere sprachliche Besonderheit naturalistischer Literatur ist der Einsatz des sogenannten Sekundenstils: Die Autor*innen beschreiben präzise jedes Detail und alles, was in einer Szene wahrzunehmen ist. So sorgen sie dafür, dass die Erzählzeit und die erzählte Zeit übereinstimmen. Das heißt, als Leser*in benötigst Du die gleiche Zeitspanne zum Lesen, wie das beschriebene Geschehen andauert.

Dadurch wirkt das Geschehen realistisch und Du hast das Gefühl mittendrin zu sein.

Naturalismus: Bedeutung der literarischen Gattungen

Die Autor*innen des Naturalismus sind eine Art Protestgeneration, die mit deutlicher Sprache auf soziale Ungerechtigkeit aufmerksam macht. Die wichtigste Gattung dieser Epoche ist die Dramatik. Epik und Lyrik treten eher in den Hintergrund, werden aber nicht ganz vernachlässigt.

Dramatik

Innerhalb der Gattung Dramatik waren es vor allem sozialkritische Dramen, mit denen die Vertreter*innen des Naturalismus sich Gehör verschafften. Für ihre realistische Darstellung fokussieren sich die Autor*innen auf bestimmte Ausschnitte der Wirklichkeit.

Dabei stehen die Charaktereigenschaften der Figuren im Vordergrund. Diese werden sehr präzise herausgearbeitet. Ebenso erlangen Gegenstände eine große Bedeutung, die die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Milieu verdeutlichen.

Besonders auffällig ist die Menge an Regieanweisungen, die ein naturalistisches Drama auszeichnen. Die Autor*innen haben dafür mitunter viel Kritik einstecken müssen. Da die Dramen wegen der Regieanweisungen epische Züge annahmen, kannst Du das naturalistische Drama als eine Mischform zwischen Dramatik und Epik ansehen.

Epik

Da sich vor allem kurze Erzählungen und Novellen für die Anwendung des prägenden Sekundenstils eigneten, waren epische Texte meist eher kurz. Um die Gedankenwelt und die Emotionen ihrer Figuren wiederzugeben, bedienten sich die Naturalisten in epischen Texten gerne innerer Monologe.

Lyrik

Die Lyrik war nicht die bevorzugte Gattung der Naturalisten. Das heißt aber nicht, dass sie gar keine Gedichte geschrieben haben. Allerdings haben die Autor*innen auf altbekannte lyrische Formen verzichtet: Metrum und Reimschema etwa spielten keine Rolle. Dafür erhielt die äußere Form eines Gedichts eine wichtigere Bedeutung. In vielen Gedichten findest Du eine Symmetrie, die durch die mittige Ausrichtung der Zeilen entsteht.

Inhaltlich stimmen die Gedichte mit den sozialkritischen Dramen überein. Wichtigstes Oberthema ist auch hier die Lebensrealität der Arbeiterklasse.

Bekannte Autoren des Naturalismus

In der folgenden Liste findest Du die wichtigsten Vertreter des Naturalismus.

  • Max Halbe (Jugend)
  • Gerhart Hauptmann (Bahnwärter Thiel, Die Weber, Die Ratten)
  • Georg Hirschfeld (Die Mütter)
  • Arno Holz (Das Buch der Zeit) 
  • Johannes Schlaf (Meister Oelze, Papa Hamlet – mit Arno Holz)
  • Karl Schönherr (Der Judas von Tirol)
  • Hermann Sudermann (Frau Sorge)
  • Clara Viebig (Dilettanten des Lebens)
  • Emile Zola (Die Erde)

Die Relevanz des Naturalismus in der heutigen Zeit

Auch wenn die Hochzeit des Naturalismus heute mehr als 130 Jahre zurückliegt, ist er in Teilen noch immer aktuell. Das betrifft etwa die Kritik an sozialen Missständen und die Darstellung der Lebenswirklichkeit der unteren Schichten – diese Themen spielen auch heute noch eine große Rolle in der Literatur. 

Naturalismus: Zusammenfassung der wichtigsten Fakten

Der Naturalismus ist so etwas wie ein gesteigerter Realismus: Für die Naturalisten war der ungeschönte Blick auf die Wirklichkeit maßgeblich.

  • Zentrales Thema des Naturalismus ist die Lebenswirklichkeit der Arbeiterklasse, die von  Armut und Arbeitslosigkeit bestimmt war.
  • Der historische Hintergrund sind die Industrialisierung und ihre Folgen, etwa überfüllte Städte und Landflucht.
  • Wesentliche Merkmale naturalistischer Literatur sind die Darstellung des Hässlichen, die Verwissenschaftlichung der Kunst, die Abbildung der Wahrheit sowie der Sekundenstil.
  • In der Epoche des Naturalismus war die Dramatik die wichtigste literarische Gattung; das sozialkritische Drama stellte die wichtigste Form des Dramas dar.

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