Deutsch: Postmoderne Literatur
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Postmoderne Literatur
Die Epoche der postmodernen Literatur ist in vielerlei Hinsicht besonders. Wie häufig liest man im Deutschunterricht Werke von Autor*innen, die noch leben? Du hast sicherlich schon gemerkt, dass das einen entscheidenden Vorteil gegenüber Werken aus vergangenen Jahrhunderten hat: Sie sind sprachlich viel näher an unserer Alltagssprache, was das Lesen deutlich vereinfacht. Dafür ist es umso schwieriger, sie einer Epoche zuzuordnen.
Wie der Name schon sagt, fand die Epoche nach der Moderne statt. Der Begriff „Modern“ bezieht sich in der Regel auf etwas Aktuelles, Zeitgenössisches. Die Postmoderne ist uns also zeitlich näher als die Moderne.
Wann fand die Postmoderne statt?
Literaturepochen einzugrenzen, ist generell nicht leicht. Bis sich politische und gesellschaftliche Veränderungen erkennen und einordnen lassen, braucht es zeitlichen Abstand, der im Fall der Postmoderne nicht besteht. Die Epoche ist noch sehr jung und bislang herrscht Uneinigkeit darüber, wann genau sie begann und endete.
Einige nennen 1968 als den Anfang der Epoche, ausgelöst durch das Ende der Gruppe 47, die den Literaturbetrieb nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich beeinflusste. Die 68er-Bewegung tat ihr Übriges, um das Ende der Nachkriegs- und Trümmerzeit zu kennzeichnen. Meist wird aber 1990 als Beginn genannt, das Jahr nach dem Mauerfall, als Deutschland nach Jahren der inneren Teilung wiedervereinigt wurde.
Das Jahr markiert darüber hinaus das Ende des Kalten Kriegs, welcher ebenfalls erheblichen Einfluss auf das Denken der Autor*innen nahm.
Auch wenn die meisten Quellen 1990 als Beginn der Postmoderne markieren, kann es gut sein, dass das in einigen Jahrzehnten anders aussieht. Bei jüngeren Epochen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich der Blick auf sie mit etwas mehr Abstand noch verändert.
Alles befand sich im Umbruch und es herrschte kein einheitliches Weltbild mehr. Dadurch besann sich der Mensch mehr auf das eigene Selbst und die eigene Lebensweise und entwickelte eine neue Subjektivität – im Gegensatz zur Nachkriegszeit, in der die gesamte Gesellschaft neu geformt werden musste. Hinzu kamen neue Technologien wie das Internet, die neue Möglichkeiten mit sich brachten.
Einerseits genossen die Autor*innen eine künstlerische Freiheit, die noch keine Normen kannte. Andererseits fühlten sich viele mit den Veränderungen überfordert und sahen keinen Sinn mehr im menschlichen Dasein. Vergeblich suchten sie nach gemeinsamen Werten und Weltanschauungen und fühlten sich verloren und orientierungslos. Während die einen dem rasanten wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt freudig entgegenblickten, sahen die anderen darin eine Gefahr für neue Kriege und Massenvernichtungswaffen. Die Auswirkungen des Kalten Kriegs waren noch zu frisch.
„Kalter Krieg“ bezeichnet einen schweren Konflikt zwischen Staaten, in dem keine Waffen zum Einsatz kommen. Sie bleiben quasi „kalt“. Setzt einer der Staaten schließlich doch Waffen ein, wird daraus ein „heißer Krieg“.
Wenn aber von dem Kalten Krieg gesprochen wird, ist der Ost-West-Konflikt nach dem Zweiten Weltkrieg gemeint, der ab 1946/47 herrschte, als sich ein westliches Lager unter der Führung der USA und ein östliches unter der Führung der Sowjetunion gebildet hatte. Zwischen den so unterschiedlichen Führungsmächten herrschten schwere Spannungen, sodass die Menschen einen weiteren Kriegsausbruch fürchteten.
Erst zahlreiche Umbrüche in Osteuropa wie der Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 sowie die Wiedervereinigung Deutschlands sorgten dafür, dass der Kalte Krieg beendet wurde.
Moderne versus postmoderne Literatur – was ist der Unterschied?
Die Epoche der Moderne fand zwar zeitlich vor der Postmoderne statt, ist aber ebenfalls schwierig einzugrenzen. Die meisten ordnen sie von ungefähr 1880 bis 1920 ein, manche aber sehen ihr Ende erst nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die Zeit der Moderne ist von vielen Umbrüchen und Neuerungen geprägt wie der Industrialisierung und dem Ersten Weltkrieg. Die Jahrhundertwende wurde zudem als Umbruch empfunden, der Hoffnung weckte und neue Freiheiten versprach. Die Künstler*innen nutzten dieses Freiheitsgefühl, um mit alten Traditionen zu brechen und ihre Werke frei von formellen und gesellschaftlichen Regeln zu schaffen. So entstanden diverse Strömungen wie der Impressionismus und der Dadaismus.
Im Gegensatz dazu hatten die Autor*innen der Postmoderne nicht den Anspruch, etwas Neues zu erschaffen. Sie waren der Ansicht, dass es alles schon einmal gegeben habe, und setzten daher auf bereits bestehende Literaturformen, die sie ihren eigenen Vorstellungen entsprechend anpassten.
In beiden Epochen sind unter den Künstler*innen kaum gemeinsame Ansichten erkennbar. Aber während sich die Autor*innen der Moderne von existierenden Formen distanzierten und nach neuen Ausdrucksweisen suchten, empfanden die vom Kalten Krieg geprägten postmodernen Künstler*innen den Fortschritt als Bedrohung und griffen stattdessen auf altbewährte Formen zurück, denen sie aber ihren eigenen Stempel aufsetzten.
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Merkmale der postmodernen Literatur
Die Autor*innen der Postmoderne besannen sich wie gesagt auf bereits bestehende Literatur- und Erzählformen zurück. Das heißt aber nicht, dass sie lediglich kopierten, was es bereits gab.
Vielmehr setzten sie sie ihren eigenen Vorstellungen nach um. Beispielsweise bezogen sie sich in ihren Werken oft auf bereits existierende Werke und erschufen auf diese Weise, durch die Kombination, etwas Neues. Mal nutzten sie Zitate, mal ahmten sie den Stil anderer Autor*innen nach oder zogen ein Werk ins Lächerliche, auch Parodie genannt. Diese Vorgehensweise nennen wir Intertextualität.
Statt das Rad neu zu erfinden und neue Literaturformen zu erschaffen, setzten die Künstler*innen auf kreative Sprache. Sie spielten mit rhetorischen und weiteren sprachlichen Mitteln wie ungewöhnliche Formulierungen.
Neu ist auch eine Dezentralisierung der Handlung. Das heißt, die Handlung folgt nicht länger der Hauptfigur linear durch ihre Entwicklung und chronologische Abfolge der Erlebnisse. Die Autor*innen experimentierten mit neuen Erzählweisen und brachten fragmentarische Episoden wie Auslassungen sowie Ort- und Zeitsprünge zum Einsatz.
Sie forderten die Leser*innen heraus, sie sollten sich anstrengen, um das Gelesene zu verstehen. Hinzu kam, dass sich die Protagonisten nicht länger eigneten, sich mit ihnen zu identifizieren. Meist waren es Außenseiter mit einem schlechten Charakter.
Beliebte Gattungen der Postmoderne
In der Zeit der Postmoderne erfreuten sich Epik, Lyrik und Dramatik großer Beliebtheit. Die beliebteste epische Textform war der Roman und ideal für die Autor*innen, um mit Sprache zu experimentieren und neue Erzählweisen auszuprobieren.
Typisch sind Erzähler, die aktiv ins Geschehen eingreifen und die Handlung in eine bestimmte Richtung lenken. Es sind also nicht länger klassische allwissende Erzähler, die neutral durch die Handlung begleiten. Sie sind nicht länger „zuverlässig“. Bekannte Werke des Genres sind Das Parfüm von Patrick Süßkind und Die Vermessung der Welt von Daniel Kehlmann.
Auch die Lyrik war beliebt. Die Dichter*innen verwendeten meist traditionelle Formen, die sie aber dennoch nutzten, um Neues zu erschaffen. Sie verzichteten beispielsweise auf Metrum und Reimschema und setzten stattdessen Alltagssprache ein, was die Werke leichter verständlich machte.
Die hermetischen Lyriker*innen machten es den Lesern wiederum absichtlich schwer. Sie verwendeten eine komplizierte Sprache und wollten, dass sich die Leser bemühten, um die Bedeutung zu verstehen. Vertreter*innen der Gattung sind beispielsweise Ingeborg Bachmann mit Die gestundete Zeit und Paul Celan mit Todesfuge.
Das Drama fand ebenfalls Anklang. Allerdings rückte nun mehr die Art und Weise der Darstellung in den Vordergrund, das performative Spiel. Das heißt, das Spiel an sich, die Handlungen, wurden bedeutender und bekamen auf der Bühne mehr Raum.
Inhaltlich beschäftigten sich die Autor*innen mit gesellschaftlichen und sozialen Themen. Ein bekanntes Beispiel ist Friedrich Dürrenmatts Der Besuch der alten Dame.
Beispiele für postmoderne Werke
Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt
Der Roman erschien 2005 und gehört zu den bekanntesten Werken des deutsch-österreichischen Schriftstellers. Er umfasst die Lebensgeschichten der beiden Wissenschaftler Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß, die in Charakter und Lebensweise grundverschieden sind und dennoch beide zur „Vermessung der Welt“ beitragen.
Typisch für die Postmoderne ist die dezentrale Handlung: Zunächst werden beide Biografien nebeneinander erzählt, bis die Protagonisten eines Tages aufeinandertreffen. Dann verschmelzen die beiden Handlungsströme. Die Wissenschaft wird kritisch hinterfragt.
Sprachlich setzt Kehlmann auf eine berichtende Erzählweise, in der er komplett auf direkte Rede verzichtet. Stattdessen wechselt er zwischen indirekter Rede und erlebter Rede und schafft so eine „Pseudosachlichkeit“.
Patrick Süskind: Das Parfum
Der Roman erschien 1985 und folgt dem Antihelden Grenouille durch sein Leben im Frankreich des 18. Jahrhunderts. Das Waisenkind wurde mit einem außergewöhnlichen Geruchsinn geboren, weshalb er mehr und mehr den Drang verspürt, das beste Parfüm der Welt zu kreieren. Auf der Suche nach den perfekten Zutaten beginnt er zu morden und hinterlässt eine blutige Spur, die die Aufmerksamkeit der Bevölkerung weckt.
Grenouille ist kein typischer Held, der sich durch vorbildliches Verhalten auszeichnet, sondern das Gegenteil: Er ist ein Außenseiter, der keinen Platz in der Gesellschaft findet und schließlich zum Mörder wird, also ein Antiheld. So nutzt er das Beispiel Grenouilles für seine Kritik an der Gesellschaft, die leicht zu manipulieren und darüber hinaus von Egoismus und Rücksichtslosigkeit geprägt ist.
Wie viele Autor*innen der Postmoderne bedient sich Süskind in dem Roman diverser sprachlicher Mittel. Er spielt mit Adjektiven und bringt häufig Superlative zum Einsatz wie „allerstinkendster Ort“. Er zieht Vergleiche wie „süß wie Nussöl“, wozu ihm das Thema Geruch einiges an Material bietet, und nutzt widersprüchliche Formulierungen wie „Das Parfum war ekelhaft gut“.
Außerdem finden sich in dem Roman Anspielungen auf Werke wie Michael Kohlhaas von Heinrich von Kleist – der erste Satz ist dem Kleists nachempfunden – sowie zu Goethes Faust, wenn von Grenouilles „faustischem Streben“ die Rede ist. Süskind bedient sich also der für die Postmoderne typischen Intertextualität.
Friedrich Dürrenmatt: Der Besuch der alten Dame
Das Drama wurde 1956 uraufgeführt und gehört zu den meistgespielten deutschsprachigen Theaterstücken. Die Handlung spielt in einer fiktiven Kleinstadt in der Schweiz, der es wirtschaftlich sehr schlecht geht. Als die reiche Claire Zachanassian die Stadt besucht, hofft die Bevölkerung auf eine großzügige Spende. Die Milliardärin aber kommt aus einem ganz bestimmten Grund: Sie will sich an Alfred rächen, der sie als junge Frau geschwängert, im Stich im gelassen und dafür gesorgt hat, dass sie die Stadt verlassen musste. Sie erklärt sich bereit, der verarmten Stadt eine Milliarde zu spenden. Im Gegenzug soll Alfred sterben.
Auch wenn der Beginn der Postmoderne oft mit der Wiedervereinigung Deutschlands in Zusammenhang gebracht wird, zählt Dürrenmatts Drama zur postmodernen Literatur. Dürrenmatt bedient sich dem klassischen Aufbau einer Tragödie, die auf Aristoteles zurückgeht. Die Handlung findet in drei Akten und innerhalb weniger Tage statt.
Er greift auf das sprachliche Mittel der Wiederholung zurück und setzt auf Symbolik: Um Alfred in Sicherheit zu wiegen, bezeugen ihm die Dorfbewohner*innen immer wieder, dass sie „felsenfest, […], felsenfest“ hinter ihm stehen. Als er aber bemerkt, dass mehr und mehr Dorfbewohner*innen zu Geld gekommen scheinen und sie alle plötzlich gelbe Schuhe tragen, gerät er ins Zweifeln. Der Name Claire bedeutet übersetzt „reinigen“ oder „reinwaschen“. Ihr Ziel ist es also, ihren Ruf wiederherzustellen und die Stadt „vom Schmutz zu befreien“.
Inhaltlich setzt sich Dürrenmatt sozialkritisch mit der Gesellschaft auseinander: Als junge Frau wurde Claire ausgegrenzt, aber nun, da sie zu Geld gekommen ist, wird sie mit offenen Armen empfangen. Zunächst sind die Dorfbewohner*innen empört über ihr unmoralisches Angebot, aber nach und nach siegt die Gier über die Moral und immer mehr verlangen Alfreds Tod. Dürrenmatt setzt die Käuflichkeit des Menschen in Szene und geht sogar so weit, dass er glaubt, damit im Recht zu sein.
Wie modern ist die Postmoderne?
Die Epoche endet zwar im Jahr 2011, die Kritikpunkte der Künstler*innen der Zeit aber sind nach wie vor aktuell. Der technische Fortschritt bestimmt unsere Gesellschaft noch heute und wirft neue Fragen und Probleme auf, wie beispielsweise Datenschutz, Urheberrecht und Künstliche Intelligenz. Neue Kriege und neu entstehende und aktuelle Krisen und Konflikte tun ihr Übriges, um zu hinterfragen, in welcher Gesellschaft wir leben möchten. Dadurch sind die Werke der Postmoderne nicht nur noch immer aktuell, sondern aktueller denn je.
Die Literatur der Postmoderne – das Wichtigste in Kürze
- Die Epoche der Postmoderne wird meistens ab der Wiedervereinigung Deutschlands eingeordnet, von 1980 bis 2011. Manche setzen ihren Anfang aber bereits ans Jahr 1968, als sich die Gruppe 47 auflöste.
- Die Autor*innen besannen sich auf bestehende Literaturformen zurück, die sie ihren eigenen Vorstellungen entsprechend abwandelten.
- Zu den häufigsten Merkmalen gehören Intertextualität, Parodien und sprachliche Experimente sowie ein Außenseiter als Protagonist und ein unzuverlässiger Erzähler.
- Die beliebteste Gattung ist der Roman, aber auch Lyrik und Dramatik wurden geschätzt.
- Zu den bekanntesten Autor*innen der Postmoderne gehören Friedrich Dürrenmatt, Daniel Kehlmann, Umberto Eco, Patrick Süskind, Ingeborg Bachmann und Paul Celan.
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