Mathematik – Erwartungswert

Wenn du wissen möchtest, was es mit dem Erwartungswert auf sich hat, dann bist du hier genau richtig! Schau dir zuerst unser Video an und lies dich dann ins Thema ein.

Erwartungswert mit Carlsson

Was ist der Erwartungswert?

Der Erwartungswert ist in der Stochastik eine wichtige Größe, wenn es um Wahrscheinlichkeiten geht. Stell dir vor, du möchtest ein Zufallsexperiment durchführen – das bedeutet, die Ergebnisse des Experiments sind nicht vorhersehbar. Du könntest zum Beispiel würfeln, eine Münze werfen oder ein Glücksrad drehen.

Wenn du dieses Zufallsexperiment jetzt nicht nur einige Male, sondern unendlich oft durchführst, ergibt sich ein Mittelwert, der dir zeigt, was das wahrscheinlichste Ergebnis ist – etwa, welche durchschnittliche Augenzahl du beim Würfelwurf erhältst. Dieser Mittelwert ist der Erwartungswert. Der Erwartungswert wird mit dem griechischen Buchstaben µ (gesprochen: „mü“) bezeichnet. In der Formel zur Berechnung des Erwartungswerts schreibt man oft auch einfach E(X). 

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Definition

Der Erwartungswert ist das nach der Wahrscheinlichkeit gewichtete Mittel aller Werte, die eine Zufallsvariable in einem Zufallsexperiment annehmen kann.


Achtung: Der Erwartungswert ist nicht das arithmetische Mittel

Das arithmetische Mittel nennt man in der Mathematik verkürzt auch „Mittelwert“, dahinter verbirgt sich aber etwas anderes. Der Unterschied zwischen Erwartungswert und (arithmetischem) Mittelwert ist, dass beim Erwartungswert ein Zufallsexperiment unendlich oft wiederholt wird – beim arithmetischen Mittel ist hingegen die Anzahl der Durchführungen bekannt.

Dazu ein Beispiel:

Du wirfst einen normalen Würfel. Die Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte Augenzahl zu würfeln, ist für alle Zahlen gleich: 16

Würdest du nun unendlich oft würfeln, würdest du mit 16 Wahrscheinlichkeit eine 1 würfeln, mit 16 Wahrscheinlichkeit eine 2 und so weiter. Du könntest so rechnen:

E(X)=161+162+163+164+165+166=16+26+36+46+56+66=216=3,5

Die Summe der Ergebnisse ergibt einen Erwartungswert von 3,5

Im echten Leben würfeln wir aber nicht unendlich oft, sondern zum Beispiel nur sechs Mal. Dann könnte dein Ergebnis so aussehen:

1. Wurf
2. Wurf
3. Wurf
4. Wurf
5. Wurf
6. Wurf
4
5
6
2
5
4

Wenn du diese Ergebnisse nun zusammenzählst und dann durch 6 (Würfe) teilst, dann erhältst du das arithmetische Mittel, auch Mittelwert genannt. Dieser Wert wird mit x̄ bezeichnet. So sieht die Rechnung aus:

x̄=4+5+6+2+5+46=266=4,3¯

Du siehst an diesem Beispiel, dass Erwartungswert und Mittelwert nicht übereinstimmen müssen. In der Realität tun sie es tatsächlich oft nicht. Allerdings gilt: Je öfter du das Experiment durchführst, desto mehr nähert sich das arithmetische Mittel dem Erwartungswert an.


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Formel für das arithmetische Mittel

Du hast oben am Beispiel gesehen, wie der Mittelwert berechnet wird. So sieht die allgemeine Formel aus, wenn du nicht weißt, wie oft das Experiment durchgeführt wird:

x¯=1nxi

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Erwartungswert berechnen: Formel und Erklärung

Für die Berechnung des Erwartungswerts brauchst du ein paar Fachbegriffe. Keine Sorge, sie sind nicht schwierig.

Den Begriff Wahrscheinlichkeit kennst du vermutlich schon. Sie wird in der Formel für den Erwartungswert mit dem Buchstaben P angegeben. An P kannst du ablesen, wie wahrscheinlich es ist, dass ein bestimmtes Ergebnis eintritt. 

Außerdem sind Zufallsvariablen wichtig. Die Zufallsvariablen sind Größen und können verschiedene Werte annehmen. Bei einem Würfel sind das zum Beispiel die Werte 1 bis 6. Es gibt diskrete und stetige Zufallsvariablen – mehr dazu erfährst du weiter unten. Formal betrachtet ist eine Zufallsvariable eine Funktion. Der einzelne Wert, den eine Zufallsvariable in einem Zufallsexperiment dann tatsächlich annimmt – wenn etwa die Zahl 5 beim Würfeln fällt – heißt Realisierung. Die Zufallsvariable selbst nennen wir X und deshalb sprechen wir beim Erwartungswert auch von E(X) .

Willst du nun den Erwartungswert berechnen, dann musst du jeden einzelnen möglichen Wert der Zufallsvariable mit der Wahrscheinlichkeit, dass dieser Wert eintritt, multiplizieren. Anschließend addierst du alle Ergebnisse – genau wie wir es oben beim Beispiel mit dem Würfel schon gemacht haben.

Formel für den Erwartungswert einfach erklärt

So sieht die Formel für den Erwartungswert aus:

E(X)=x1P(X=x1)+x2P(X=x2)++xnP(X=xn)

Das sieht kompliziert aus, ist aber genau das, was wir gerade gesagt haben: Jeden Wert, den die Zufallsvariable annehmen kann (z. B. x1, x2 etc.) multiplizierst du mit der Wahrscheinlichkeit P, dass dieser Fall eintritt. Anschließend addierst du alle Ergebnisse.

Allgemein kannst du die Formel verkürzt auch so schreiben:

E(X)=i=1nxiP(X=xi)

Hier steht xi, weil wir nicht wissen, wie viele Werte die Zufallsvariable annehmen kann. Beim Würfel wären es beispielsweise sechs. 

Tipp: Bisher haben wir uns nur Beispiele angesehen, bei denen jeder Wert mit gleich großer Wahrscheinlichkeit eintritt. Die Formel für den Erwartungswert funktioniert aber genauso, wenn ein Ergebnis oder mehrere Ergebnisse wahrscheinlicher sind als andere. Du multiplizierst dann einfach mit einer anderen Wahrscheinlichkeit P.

Faires Spiel: Erwartungswert hilft bei der Einschätzung

Was bringt uns das nun im Alltag und wie berechnet man den Erwartungswert ganz praktisch? Hier ein Beispiel, wie der Erwartungswert nicht nur in Mathe, sondern auch für dein Taschengeld nützlich sein kann.

Beispiel: Erwartungswert im Spiel berechnen

Du darfst aus einem Säckchen Lose ziehen. Du weißt, dass im Säckchen 12 Lose sind. Jedes Los kostet 1 €. Es gibt zwei Arten von Losen, Gewinner-Lose und Nieten. Für eine Niete bekommst du nichts (hast aber einen Euro gezahlt), für ein Gewinner-Los erhältst du 3 €. Du weißt außerdem, dass es insgesamt 4 Gewinner-Lose und 8 Nieten gibt.

Nun ist die Frage: Lohnt sich das Spiel für dich? Wirst du deinen Einsatz eher verlieren oder mit Gewinn nach Hause gehen?

Und so klappt die Berechnung des Erwartungswerts:

Zuerst finden wir die Wahrscheinlichkeiten heraus.

  • Die Wahrscheinlichkeit, ein Gewinner-Los zu ziehen, ist P(X=GewinnerLos)=412=13
  • Die Wahrscheinlichkeit, eine Niete zu ziehen, ist P(X=Niete)=812=23

Außerdem musst du für jedes Los – Gewinn oder Niete – 1 € zahlen. Das bedeutet, dass du für eine Niete einen Verlust von –1 € machst, für einen Gewinn aber 3 € – 1 € = 2 € erhältst.

Jetzt können wir den Erwartungswert berechnen:

E(X)=132+23(1)=2323=0

Der Erwartungswert ist gleich Null. Das bedeutet, es ist ebenso wahrscheinlich, dass sich das Spiel für dich lohnt, wie es wahrscheinlich ist, dass es sich nicht lohnt. 

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Faires Spiel

Ein Spiel heißt faires Spiel, wenn der Erwartungswert gleich Null ist. Die Möglichkeiten, zu gewinnen oder zu verlieren, gleichen sich aus. 

Wenn der Erwartungswert positiv ist, ist die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen größer.

Wenn der Erwartungswert negativ ist, ist die Wahrscheinlichkeit zu verlieren größer.  

Zufallsvariablen: diskrete und stetige Zufallsgrößen

Beim Berechnen des Erwartungswerts kommt es entscheidend auf die Zufallsvariablen an – das weißt du bereits. Nun gibt es zwei verschiedene Arten von Zufallsvariablen.

Diskrete Zufallsvariablen

Bei diskreten Zufallsvariablen gibt es eine feste Menge an möglichen Ergebnissen, die du zählen kannst. Bei einem Würfel gibt es zum Beispiel sechs mögliche Ergebnisse. Wenn du eine Münze wirfst, sind es zwei (Kopf und Zahl). Die Wahrscheinlichkeiten für jeden Wert müssen dabei nicht gleich sein. Wichtig ist lediglich, dass die Ergebnisse zählbar sind.

Die Formel für die Berechnung des Erwartungswerts bei diskreten Zufallsvariablen kennst du bereits:

E(X)=i=1nxiP(X=xi)

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Laplace-Experiment

Wenn bei einem Zufallsexperiment mit diskreten Zufallsvariablen alle Ergebnisse gleich wahrscheinlich sind, handelt es sich um ein Laplace-Experiment. Man spricht dann auch von der Laplace-Wahrscheinlichkeit oder dem Laplace-Erwartungswert. 

Das Würfeln mit einem Würfel, das Werfen einer Münze und der Dreh am Glücksrad (mit gleich großen Feldern) sind Laplace-Experimente. 


Stetige Zufallsvariablen

Nun gibt es aber auch Zufallsvariablen, deren Ergebnisse nicht zählbar sind, weil es unendlich viele von ihnen gibt. Ein Beispiel wäre ein Experiment mit Temperaturen. Hier gibt es nicht nur die Temperaturen 1°C oder 4°C, sondern eben auch 1,0042°C oder 4,328°C. Die Abstufungen können unendlich klein werden. Daher sind diese Werte, welche die Zufallsvariable annehmen kann, nicht zählbar. Genauso ist es zum Beispiel bei Geschwindigkeiten oder Zeiträumen. 

Hier brauchen wir für die Berechnung des Erwartungswerts das Integral und die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion. Die Dichtefunktion f gibt an, wie dicht mögliche Werte der Zufallsvariable um einen bestimmten Punkt herum verteilt sind. Zum Beispiel mag es sein, dass ein Bus in seltenen Fällen ganze 90 Minuten zu spät kommt – in den meisten Fällen bewegt sich die Verspätung aber vielleicht in einem Intervall von 2–5 Minuten. Oder die Temperatur fällt an einem einzelnen Sommertag auf 4°C, doch die Wahrscheinlichkeit, dass sie zwischen 22 und 28°C liegt, ist viel höher. 

So sieht die Formel für den Erwartungswert mit Dichtefunktion aus:

E(X)=abxf(x)dx

Dabei ist f(x) die Dichtefunktion und x steht für die Ergebnisse – zum Beispiel die Minute, in der der Bus ankommt. aund b geben die Intervallgrenzen an. Um den Erwartungswert zu berechnen, musst du die Funktion aufleiten und dann ausrechnen. 

Wahrscheinlichkeitsverteilungen: Erwartungswert einfach erklärt

Es gibt unterschiedliche Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Wahrscheinlichkeitsverteilungen ordnen jedem möglichen Wert der Zufallsvariable eine Wahrscheinlichkeit zu. Eine Wahrscheinlichkeitsverteilung hast du schon kennengelernt: die Gleichverteilung. Wenn du einen Würfel unendlich oft wirst, verteilen die möglichen Ergebnisse sich gleichmäßig. Die Gleichverteilung tritt also bei Laplace-Experimenten auf.

Hier stellen wir dir noch andere Verteilungen in Kurzform vor.

Normalverteilung

Die Normalverteilung heißt auch Gaußverteilung oder Glockenkurve – sie sieht tatsächlich wie eine Glocke aus. Bei einer Normalverteilung verteilen die Ergebnisse sich gehäuft um den Erwartungswert herum – es gibt nur wenige „Ausreißer“.

Beispiel: Körpergröße erwachsener Menschen

Wenn erwachsene Menschen im Schnitt etwa 1,75m groß sind, dann ist der Erwartungswert der Normalverteilung 1,75m. Natürlich gibt es davon Abweichungen. Häufig vorkommende Abweichungen werden mit der Standardabweichung beschrieben. Die Varianz ist das Quadrat der Standardabweichung: Sie beschreibt die Streuung aller Werte um den Erwartungswert herum.

Bei der Normalverteilung gilt: Je weiter du dich vom Erwartungswert entfernst, desto seltener treten die Ergebnisse auf – erwachsene Menschen mit einer Körpergröße von 1,20 m oder 2,20 m sind sehr selten.

Tipp: Die Standardnormalverteilung ist ein Sonderfall der Nominalverteilung.

Normalverteilung

Exkurs: Erwartungswert und Varianz

Warum ist die Varianz überhaupt wichtig, wenn du doch den Erwartungswert kennst? Die Varianz gibt uns noch weitere wichtige Informationen. Stell dir ein Spiel vor, bei dem du 5 € entweder gewinnst oder verlierst. In einem anderen Spiel kannst du hingegen 500 € gewinnen oder verlieren. Beide Spiele haben einen Erwartungswert von Null und sind damit faire Spiele. Dennoch ist dein Einsatz beim zweiten Spiel deutlich höher – und damit riskanter für deine Ersparnisse. Genau das drückt die Varianz aus.

Binominalverteilung

Der Erwartungswert der Binominalverteilung kommt bei sogenannten Bernoulli-Experimenten zum Einsatz. Bei einem Bernoulli-Experiment gibt es nur zwei mögliche Ergebnisse: Ja oder Nein, Erfolg oder Misserfolg. Das klassische Beispiel: Du wirfst eine Münze – und eins von zwei möglichen Ergebnissen muss eintreten. Die Wahrscheinlichkeiten beider Ergebnisse müssen aber nicht gleich groß sein. Wenn du wie im Beispiel oben Gewinner-Lose oder Nieten ziehst, handelt es sich ebenfalls um ein Bernoulli-Experiment, auch wenn es mehr Nieten als Gewinner-Lose gibt.  

Mit der Binominalverteilung kannst du errechnen, wie wahrscheinlich es ist, dass du in einer bestimmten Anzahl Versuche einen Erfolg erzielst. Der Erwartungswert einer Binominalverteilung ist leicht zu ermitteln, denn er entspricht der Erfolgswahrscheinlichkeit P.

Poisson-Verteilung

Mit dem Erwartungswert der Poisson-Verteilung kannst du berechnen, wie wahrscheinlich es ist, dass ein bestimmtes Ereignis innerhalb eines Intervalls (zum Beispiel eines Zeitraums) eintritt. Du kannst damit zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit ermitteln, dass in einem bestimmten Zeitraum eine gesetzte Anzahl Kunden einen Laden betritt – oder eine bestimmte Menge roter Autos vorbeifährt.

Rechenregeln für den Erwartungswert

Es gibt einige Rechenregeln, die dir das Rechnen mit dem Erwartungswert erleichtern:

  • Bei Summen gilt: E(X+Y)=E(X)+E(Y). Du kannst also die Erwartungswerte unterschiedlicher Zufallsvariablen separat berechnen und dann addieren.
  • Bei Produkten gilt: E(XY)=E(X)E(Y). Wie bei den Summen kannst du also auch die Faktoren separat betrachten.
  • Für unabhängige Zufallsvariablen gilt außerdem die Linearität: E(aX+b)=aE(X)+b. Dabei sind a und b Konstanten. Unabhängige Zufallsvariablen sind solche, bei denen ein Ergebnis nicht das folgende Ergebnis beeinflusst. Das ist beim Würfeln und Münzenwerfen der Fall. In einem Experiment zu Körpergröße und Gewicht könnte es sich aber um abhängige Zufallsvariablen handeln: Wer größer ist, ist häufig auch schwerer.

Zusammenfassung: Erwartungswert in Mathe berechnen

  • Der Erwartungswert ist eine wichtige Größe in der Stochastik. Er dient der Bestimmung von Wahrscheinlichkeiten in Zufallsexperimenten.
  • Du erhältst den Erwartungswert, indem du den Mittelwert aller möglichen Werte einer Zufallsvariable bildest – und zwar nach Wahrscheinlichkeit gewichtet.
  • Der Erwartungswert ist nicht dasselbe wie das arithmetische Mittel. Der Erwartungswert basiert auf unendlich vielen Durchführungen eines Experiments, das arithmetische Mittel hingegen auf einer festen Anzahl Durchführungen.
  • So sieht die Formel für den Erwartungswert aus:
    E(X)=x1P(X=x1)+x2P(X=x2)++xnP(X=xn)
  • Der Erwartungswert hilft dir zu beurteilen, ob ein Spiel fair ist. 
THEMA: Aufgaben

Was ist der Erwartungswert?

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